Abgaben

 Umweltökonomische Theorie der Abgabe

Abgaben (Steuern und Gebühren) erhöhen den Preis der umweltschädlichen Aktivität mit dem Ziel, die Nachfrage zu senken oder die Aktivität durch eine umweltfreundlichere Aktivität zu substituieren. Auf den Straßengüterverkehr übertragen bedeutet das, eine emissionsbezogene Verbrauchssteuer auf Kraftstoffe (Mineralölsteuer) zu erheben. Dadurch werden Anreize gegeben, weniger Transporte durchzuführen bzw. Transporte auf andere Verkehrsträger zu verlagern, verbrauchsärmere Fahrzeuge einzusetzen oder Bio-Kraftstoffe zu verwenden. Daneben kann auch eine Kfz-Steuer oder eine Straßenbenutzungsgebühr an den CO2-Emissionen eines bestimmten Fahrzeugstyps bemessen werden.

Praxisbeispiel: Ökosteuerreform in Deutschland

Die praktische Wirksamkeit einer Steuer lässt sich anhand der Ökosteuerreform 1999 belegen. Dabei wurde eine stufenweise Erhöhung des Dieselpreises im Durchschnitt um jährlich 8,2 Prozent von 1999 bis 2003 bewirkt.

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Abbildung 4:   Entwicklung des Dieselpreises und der Preisanteile von 1990 bis 2007

Infolge der Ökosteuerreform sind die Transportkosten der Logistikdienstleister gestiegen, wodurch sich die verstärkte Suche nach und Umsetzung von Einsparpotenzialen wirtschaftlich gelohnt hat. Der seitdem beobachtbare Rückgang der CO2-Emissionen im Straßengüterverkehr (Abbildung 5) ist neben einer Vielzahl anderer Faktoren auf das Preissignal der Ökosteuerreform zurückzuführen. Hierbei wird die Untersuchung des DIW [Ste11] zur Auswirkung der Ökosteuerreform auf das Fahrverhalten der Privathaushalte auf den Straßengüterverkehr übertragen, obgleich die „Ökosteuer“ aufgrund des vorherrschenden „ökonomischen Rationalitätskalküls“ im Straßengüterverkehr [Abe09, S. 13] wahrscheinlich noch stärker gewirkt hat.

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Abbildung 5:   CO2-Emissionen des Straßengüterverkehrs im Vergleich zur Fahr- und Transportleistung in Deutschland (1991-2005)

Theoretische Konzepte: Preis-Standard-Ansatz vs. Pigou-Steuer

In der Theorie werden zwei unterschiedliche Formen einer Steuer diskutiert. Beim sogenannten Preis-Standard-Ansatz [vgl. Eis08, S. 1027; End00, S. 125] wird zunächst der angestrebte Emissionszielwert, wie z. B. 50 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr, durch eine politische Entscheidung definiert. Danach wird ein Steuersatz geschätzt, der zu einer Veränderung der Nachfrage führt und somit eine Annäherung der tatsächlichen Emissionen an den Zielwert bewirkt. Da die Wirkung des Steuersatzes auf die tatsächlichen Emissionen nicht exakt vorausgesagt werden kann, erfolgt eine mehrfache Anpassung nach dem Trial-and-Error-Prinzip, bis schließlich der Emissionszielwert erreicht ist.
Ein alternativer Ansatz ist die sogenannte Pigou-Steuer [Eis08, S. 1025 ff.; Wei99, S. 109 ff.; End00, S. 108 ff.], bei der theoretisch der optimale Steuersatz gefunden wird, um Umweltschäden (CO2-Emissionen) zu verringern. Sie ist jedoch praktisch nicht realisierbar, da  vollständige Informationen über mögliche Schäden und Nutzen und deren objektive Monetarisierung grundsätzlich erforderlich ist. Dennoch soll das Funktionsprinzip am Beispiel des Straßengüterverkehrs kurz beschrieben werden: Zunächst werden die Kosten für Umweltschäden (externe Kosten) vollständig internalisiert, indem sie zu den privaten Grenzkosten der Transportdienstleister aufaddiert werden. Die Summe von privaten und externen Grenzkosten entspricht den sozialen Grenzkosten. Je höher das Verkehrsaufkommen und das entsprechende Emissionsniveau liegen, desto höher sind auch die privaten und externen Grenzkosten des Straßengüterverkehrs. Dagegen wird unterstellt, dass der Grenznutzen abfällt, je höher das Verkehrsaufkommen steigt. Im sogenannten Wohlfahrtsoptimum stimmen der gesamte Grenznutzen und die sozialen Grenzkosten des Straßengüterverkehrs überein. Dadurch wird das optimale („Pareto-effiziente“) Niveau des Straßengüterverkehrs und der CO2-Emissionen ermittelt. Um das optimale Niveau schließlich zu erreichen, müsste eine Steuer in genau der Höhe erhoben werden, welche die Differenz zwischen den sozialen und privaten Grenzkosten ausfüllt. Dies führt dazu, dass sich der Preis erhöht und den sozialen Grenzkosten entspricht. Infolgedessen würden letztlich das Verkehrsaufkommen und die CO2-Emissionen auf das optimale Niveau zurückgehen.

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Abbildung 6: Pigou-Steuer (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an: [Eis08, S. 1025])

Dieser Zusammenhang gilt allerdings nur für den Fall, dass Angebot und Nachfrage im Zeitverlauf konstant sind [vgl. Eis08, S. 1027]. Bei einem Rückgang der Nachfrage (Verschiebung von N nach links) würde sich ein neues Marktgleichgewicht (Schnittpunkt von N und GKpriv+t) ergeben, sofern der Steuersatz t nicht angepasst wird. Das neue Marktgleichgewicht würde allerdings nicht dem Pareto-effizienten Wohlfahrtsoptimum (Schnittpunkt von N und GKsoz) entsprechen, da der neue Preis zu hoch und die Output-Menge zu niedrig im Vergleich zum Wohlfahrtsoptimum liegt. Diese Fehlallokation kann jedoch durch einen variablen Steuersatz behoben werden, der immer exakt der Differenz zwischen privaten und sozialen Grenzkosten entspricht.

Aufgrund des problematischen Festsetzung des Steuersatzes bei einer Pigou-Steuer basieren in der praxisorientierten Umwelt- und Klimapolitik alle Formen einer Emissionssteuer auf dem praktikableren Preis-Standard-Ansatz [vgl.  End00, S. 114].



Quellenhinweise:

[Abe09] Aberle, G.: Transportwirtschaft. Einzelwirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Grundlagen. 5. Auflage, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München, 2009
[Eis08] Eisenkopf, A.: Logistik und Umwelt. In: Arnold et al. (Hrsg.): Handbuch Logistik. 3. Auflage, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 2008, S. 1017-1050
[End00] Endres, A.: Umweltökonomie. 2 Auflage, Kohlhammer-Verlag, Berlin, Köln, 2000 
[Ste11]  Steiner, V.; Cludius, J. (2011): Ökosteuer hat zu geringerer Umweltbelastung des Verkehrs beigetragen. In: Wochenbericht des DIW Berlin, Heft 13-14, S. 2-7 
[Wei91]  Weimann, J.: Umweltökonomik. 2. Auflage, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 1991 


Letzte Änderung: 08.08.2011 - Ansprechpartner: Webmaster