Zertifikatehandel

Umweltökonomische Theorie des Zertifikatehandels

Obwohl die Atmosphäre grundsätzlich ein öffentliches Gut ist, das jedem kostenlos und unbegrenzt zur Verfü­gung steht, kann mithilfe von limitierten Eigen­tumsrechten (Zertifikaten) der Ausstoß von klimaschädlichen THG in die Atmosphäre begrenzt werden. Infolgedessen werden Emissionen als knappe und wertvolle Ressource in das betriebswirtschaftliche Kalkül der Emittenten einbezogen. Der Preis für eine Tonne CO2 wird im Unterschied zur Steuerlösung nicht von Außen vorgegeben, sondern durch Angebot und Nachfrage auf Zertifikatemärkten bestimmt [vgl. Wei91, S. 158]. Zuerst wird die Gesamtmenge an Emissionen im Voraus für einen bestimmten Sektor und für eine bestimmte Zeitperiode durch den Staat festgelegt. Die Gesamtmenge wird in Emissionszertifikate verbrieft und an die betroffenen Emittenten, beispielsweise entsprechend ihrer historischen Emissionen, verteilt. Ein Zertifikat gibt ihnen jeweils das Recht zur Emission von einer Tonne CO2 oder einer äquivalenten Menge anderer Treibhausgase (CO2e). Ein Emittent darf innerhalb eines Jahres nicht mehr CO2 ausstoßen als er im Besitz der entsprechenden Zertifikateanzahl ist.

Die ökonomischen Anreize und kosteneffiziente Wirksamkeit dieses Instruments werden erst durch die Handelbarkeit der Zertifikate erzeugt. Wesentliche Voraussetzungen für einen funktionierenden Zertifikatemarkt sind, dass die Emittenten unterschiedliche Grenzvermeidungskosten1 aufweisen, am Anfang weniger Zertifikate ausgegeben als voraussichtlich benötigt werden, damit ein knappes Gut mit einem Preis entsteht, und die Anzahl von Marktteilnehmern hinreichend groß ist [Wei91, S. 158].

Unter der Annahme, dass sich ein Emittent ökonomisch rational verhält, wird dieser alle Vermeidungsmaßnahmen umsetzen, bei denen die Grenzvermeidungskosten unter dem Zertifikate-Marktpreis liegen. Die überschüssigen Zertifikate werden an die Marktteilnehmer verkauft, die höheren Grenzvermeidungskosten ausgesetzt sind, da für diese der Erwerb zusätzlicher Zertifikate wirtschaftlicher ist als die Investition in Vermeidungsmaßnahmen. Durch den Handel wird theoretisch ein langfristiges Marktgleichgewicht erreicht, weil dann die Grenzvermeidungskosten aller Emittenten angeglichen sind und dem langfristigen Marktpreis entsprechen [Wei91, S. 158].

Die hohe ökologische Treffsicherheit des Zertifikatehandels wird von keinem anderen Instrument erreicht. Denn unabhängig davon, welche Marktteilnehmer ihre Emissionen einsparen oder erhöhen, stellt sich zum Ende eine Minderung auf das anfangs durch die Politik festgelegte Emissionsziel (Cap) ein [vgl. Wei91, S. 174].

 

Beispiel zur Funktionsweise des CO2-Emissionshandels


funktionsweise

Abbildung 3: CO2-Emissionsrechtehandel am Beispiel von zwei stationären Emissionsquellen
(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt www.dehst.de)

 

Am Beispiel von zwei stationären Emissionsquellen, die z. B. für zwei Kraftwerke in der Energiewirtschaft stehen, wird in der Abbildung 3 die prinzipielle Funktionsweise des Zertifikatehandels erklärt.
Zum Start einer Handelsperiode werden in beiden Anlagen 5000 t CO2 ausgestoßen. Beim CO2-Emissionshandel erhalten beide Anlagen Zertifikate in der Menge für jeweils 4.500 t CO2, da die Gesamtemissionen von 10.000 t am Periodenanfang auf 9.000 t zum Periodenende gesenkt werden sollen.

Anlage 1 kann die CO2-Emissionen aufgrund kostengünstiger Vermeidungspotenziale sogar noch weiter als notwendig auf 4.000 t pro Periode senken, so dass ein Überschuss von Zertifikaten für die Menge von 500 t entsteht.

Anlage 2 benötigt zusätzliche Zertifikate für die Menge von 500 t CO2, da keine Emissionen reduziert werden können.
Auf dem Markt werden die überschüssigen Zertifikate der Anlage 1 vollständig an die Anlage 2 verkauft.

Obwohl Anlage 2 keine Emissionen reduziert, wird insgesamt nicht mehr CO2 ausgestoßen als in der Menge entsprechende Emissionsrechte (Zertifikate) ausgegeben wurden.



1) Ausgehend vom aktuellen Emissionsniveau eines Emittenten sind Grenzvermeidungskosten die Kosten, die zur Vermeidung von einer zusätzlichen Tonne CO2 oder CO2-Äquivalenten entstehen (allgemeine Einheit: EUR / t CO2).


Quellenangaben:

[Wei91] Weimann, J.: Umweltökonomik. 2. Auflage, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 1991 


Letzte Änderung: 05.08.2011 - Ansprechpartner: Webmaster